Unterrichtsformate
In der modernen Schul-Landschaft, auch aufgrund der steigenden Zahl von Ganztagsschulen, wird der Schulgarten häufig von nachmittäglichen Arbeitsgemeinschaften genutzt. In Grundschulen geht der Trend dazu, dass der Schulgarten auch als Lernort für den Regelunterricht in den vormittäglichen Unterricht einbezogen wird. Jede der Unterrichtsformen, denen der Schulgarten als Lernort dient, stellt andere Ansprüche an die Gestaltung des Gartens, an die Projekte, die dort realisiert werden können und an die Art und Weise der Unterrichtsgestaltung.
Ziel sollte es natürlich sein, dass das naturnahe Schulgelände und der ökologische Schulgarten möglichst oft von möglichst vielen Schülerinnen und Schülern erlebt und genutzt werden können, damit in jeder individuellen Schüler*innen-Biografie das Erleben und Gestalten in und mit der Natur einen festen Platz hat.
Schulgarten-AG
Die Schulgarten-AG ist die häufigste Unterrichtsform in Schulgärten weiterführender Schulen. Arbeitsgemeinschaften laufen i. d. R. über ein Schuljahr, manchmal sogar nur über ein halbes Schuljahr. Dann wird neu gewählt. Vorteile dieser Unterrichtsform sind die Eigenmotivation der Schüler/innen – außer es handelt sich um die „dritte Wahl“, wenn leider kein Platz mehr war in der Musical-AG oder der Computer-AG – und die meist kleinen Gruppen. Der Nachteil ist, dass die Schüler/innen eben nur für ein Jahr im Garten sind. Eine starke Bindung an den Ort entsteht daher nicht, langfristige Erlebnisse und Beobachtungen (z. B. das Wachstum einer Staude oder die von Jahr zu Jahr unterschiedliche Artenzusammensetzung auf einer Wildblumenwiese) können nicht gemacht werden.
Daher steht in Schulgarten-AGen die Projektarbeit im Vordergrund, also das intensive Erleben in kurzer Zeit mit einem Ergebnis bzw. Abschluss. Oft werden Bauprojekte und Neuanlagen gemeinsam geplant und umgesetzt (z. B. eine Kräuterspirale, ein Insektenhotel, ein Teich, ein Staudenbeet), oder es werden aus vorhandenen Elementen Produkte hergestellt (z. B. Holunderblütensirup, Apfelsaft).
Für die Planung und das Management von Schulgärten, die ausschließlich von AGen genutzt werden, sind folgende Aspekte zu beachten:
- Der Garten sollte so gestaltet sein, dass dort immer wieder neue Projekte umgesetzt werden können, d. h. es sollte möglichst viel Platz bzw. Teilräume geben, die nicht für eine feste Nutzung verplant sind, die eben und unversiegelt sind.
- Wenn Neuanlagen gebaut werden, sollte im Vorfeld geklärt werden, wie sie gepflegt werden, wenn die AG sich wieder auflöst. Außerdem sollten die Elemente leicht rückbaubar sein und nicht mit Materialien gebaut werden, die nur mit hohem technischen oder finanziellen Aufwand zu entsorgen sind (z. B. Betonfundamente, Teichfolien).
- Kommt in einem Schuljahr keine AG zustande (mangels anbietender Lehrkraft oder mangels Interesse der Schüler/innen), muss trotzdem gewährleistet sein, dass der Schulgarten in einem „Minimal-Pflegezustand“ erhalten wird, um aufwändige Wiederurbarmachungs-Arbeiten für die nächste AG, die dort tätig werden will, zu vermeiden. Denn wenn man sich in den ersten fünf AG-Stunden nur mit der Machete durch Brombeer-Gestrüpp vorarbeiten muss, kann die Anfangs-Euphorie ganz schnell verfliegen!
Unterricht in der Schulgarten-AG unterscheidet sich nicht wesentlich von klassischem Projekt-Unterricht, also dem selbstständigen und gemeinsamen Entscheiden und Planen, der Aufteilung von Aufgaben etc. Allerdings ist hier ist der „Natur-Faktor“ zu beachten: Da sich das Wetter leider nicht unserer Planung anpasst, müssen wir unsere Planung eben dem Wetter anpassen … oder der Wachstumsgeschwindigkeit der Pflanzen, die wir kultivieren wollen … oder der Tatsache, dass die Schnecken doch schneller sind als ihr sprichwörtlicher Ruf – zumindest wenn ihr Ziel junges Gemüse ist!
Für eine Schulgarten-AG sollte eine Doppelstunde eingeplant werden, denn es wird immer Zeit benötigt, um in den Schulgarten zu gehen, sich ggf. umzuziehen, Geräte zu holen und hinterher wieder aufzuräumen etc.
Wenn eine Schule die Kapazitäten hat, dauerhaft eine Schulgarten-AG einzurichten, weil es mehrere fest angestellte Lehrkräfte gibt, die sich darum kümmern können, und weil die Erfahrung gezeigt hat, dass sich immer genügend interessierte und motivierte Schüler/innen für die AG finden, kann der Schulgarten in Teilen auch als „Liefergarten“ für den Fachunterricht dienen. So könnte z. B. die Chemie-Fachkonferenz in ihren Arbeitsplan das Thema „Färben mit Pflanzen“ integrieren und die Schulgarten-AG einen kleinen Färbergarten vorhalten, in dem für diesen Unterricht frisches Pflanzenmaterial geerntet werden kann. So wird der Schulgarten strukturell im Schulalltag verankert.
Schulgartenunterricht in der Grundschule
Die meisten Schulgärten findet man an Grundschulen. Sieht man sich die Bildungspläne im Fach „Sachunterricht“ an – egal in welchem Bundesland – drängt sich der Schulgarten als geeigneter Lernort förmlich auf: Im Sachunterricht geht es vor allem darum, dass die Kinder die Grundlagen des Lebens kennenlernen. Es geht ganz konkret um Pflanzen und Tiere, um Ernährung und Landwirtschaft, um Heimatkunde und Naturschutz, um forschendes Lernen und um Wertevermittlung. Und in allen Bildungsplänen wird empfohlen, den Unterricht so lebenspraktisch wie möglich zu gestalten. "Primärerfahrungen" und "Selbstwirksamkeitserfahrungen" stehen als Unterrichtsqualitäten im Vordergrund. Für all dies ist Schulgarten der ideale Lernort!
In Schulgärten an Grundschulen sollte es für jede Klasse einen räumlich klar abgegrenzten Bereich geben, den sie eigenverantwortlich bewirtschaften kann. Der Bereich kann nur aus einem Klassenbeet bestehen (beliebt sind Hochbeete, die gut abgegrenzt sind und ein ergonomisches Arbeiten ermöglichen), oder es gibt darüber hinaus noch ein weiteres Element, z. B. eine Hecke, ein Staudenbeet oder einen Obstbaum, für den diese Klasse verantwortlich ist. Dieser Bereich sollte der Klasse in der ganzen Grundschulzeit der Kinder zur Verfügung stehen. So können sie z. B. über einen Schuljahreswechsel hinaus Pflanzen kultivieren (z. B. Kartoffeln) oder auch mehrjährige Projekte bzw. Beobachtungen durchführen.
Wenn nicht genügend Platz im Schulgarten vorhanden ist, damit jede Klasse ihren eigenen Bereich bekommt (bei vierzügigen Grundschulen bräuchte man da schon einen sehr großen Garten), kann man auch für jeden Jahrgang eine „Schulgarten-Klasse“ einrichten, etwa so, wie man auch „Ballsport-Klassen“ oder „Bläser-Klassen“ einrichtet. Der Schulgarten sollte aber für verschiedene obligate Sachunterrichts-Themen wie z. B. Frühjahrsblüher oder Obstbäume grundsätzlich für alle Klassen zumindest Erlebnis- und Beobachtungsmöglichkeiten bieten. Auch hier bietet es sich an, über den Gartenzaun zu schauen und für diese Themen das ganze Schulgelände in den Unterricht mit einzubeziehen.
Um es den Lehrkräften zu erleichtern, einen schlüssigen, aufeinander aufbauenden Schulgarten-Unterricht über mehrere Jahre anzubieten, der auch gärtnerischen Erfordernissen genügt, ist es sinnvoll, z. B. im Rahmen eines Studientages und mit Unterstützung einer Fachkraft einen mehr oder weniger verbindlichen Arbeitsplan dafür zu entwerfen. Darin werden die Fruchtfolge für ein Klassenbeet, Jahresthemen, ein Arbeitskalender etc. festgehalten.
Dass sich prozentual die meisten Schulgärten an Grundschulen finden, hat weniger etwas damit zu tun, dass hier die Kinder im optimalen Alter für diesen Lernort sind. Denn für die zentralen gärtnerischen Lernfelder – das selbstverantwortliche Gestalten und Pflegen – sind Grundschulkinder eher noch zu jung. Aber die Grundschule hat für die Schulgartenarbeit einen entscheidenden organisatorischen Vorteil: Eine Klasse wird in (fast) allen „Fächern“ von derselben Person unterrichtet. Die Klassenlehrerin (manchmal auch der Klassenlehrer) kann recht frei entscheiden, wann sie welche Lehrinhalte welches Faches unterrichtet. Naturbeobachtung und Gartenpflege erfordern ein hohes Maß an zeitlicher Flexibilität: Der Boden muss bearbeitet werden, wenn er die richtige Feuchtigkeit hat, Früchte müssen geerntet werden, wenn sie reif sind. Diese Flexibilität können Lehrkräfte an Grundschulen wesentlich besser aufbringen als Fachlehrer/innen an weiterführenden Schulen. Außerdem kann eine Klassenlehrerin in der Grundschule auch mal spontan entscheiden, über mehrere Unterrichtsstunden in den Schulgarten zu gehen, wenn viel zu tun / zu beobachten ist und das Wetter stimmt. Auch dies ist mit der engen Stundentaktung und dem Fachlehrer*innenprinzip weiterführender Schulen nicht möglich.
Schließlich ist der Schulgarten ein ganzheitlicher Lernort, in dem nicht nur Sachkunde-Themen erarbeitet werden können, sondern der viele Anlässe bietet für andere Fächer wie Deutsch, Kunst, Mathematik, Religion / Ethik etc. Im Schulgarten können die Kinder für’s Leben lernen, weil dort so viele Kompetenzen gefordert und gefördert werden. Der Schulgarten ist ein fachintegrierender Lernort für den fachintegrierenden Grundschul-Unterricht!
Schulgartenunterricht im Fachunterricht weiterführender Schulen
Diese Unterrichtsform ist zweifellos am schwierigsten zu realisieren: Fachlehrer haben i. d. R. zu wenig Zeit und Flexibilität für einen kontinuierlichen Schulgarten-Unterricht. Hilfreich sind auf jeden Fall Doppelstunden, denn in 45 Minuten lassen sich gerade einmal die Wege zum Schulgarten und zurück bewältigen, Geräte und Aufgaben verteilen und zum Schluss wieder aufräumen. Gartenbegeisterte Fachlehrer/innen weiterführender Schulen versuchen daher entweder, eine AG anzubieten, oder sie nutzen Projekttage/-wochen für kleinere Projekte im Schulgarten.
In Integrierten Gesamtschulen kann mit der Einrichtung eines schuleigenen Wahlpflichtfaches die Schulgartenarbeit institutionalisiert werden. Auch die Realschule plus bietet einige Freiräume im Zeitmanagement und in der inhaltlich-methodischen Schwerpunktsetzung der Stoffvermittlung in den Fächern. Gerade in der Realschule plus spielt der Schulgarten als Übungsfeld für die Berufsvorbereitung eine tragende Rolle.
Die schwierigsten Rahmenbedingungen für den Schulgarten stellen sich in Gymnasien. Aber auch hier findet derzeit ein Umdenken statt. Wenn ein engagiertes Team von Lehrkräften auf eine Schulleitung trifft, die den Wert des ganzheitlichen Lernens mit Kopf, Herz und Hand auch für die Gymnasialbildung erkennt, können Strukturen entstehen, in denen Schulgärten dauerhaft betrieben werden können. Ideal ist es, wenn sich zwei oder drei Lehrkräfte als „Schulgartenbeauftragte“ zusammentun, die auch eine entsprechende AG anbieten. Diese sorgt zusammen mit dem Hausmeister / der Hausmeisterin und ggf. externen Partner*innen für die „Grundpflege“ im Schulgarten. Dann können Fachlehrer*innen mit temporären Einzelprojekten (z. B. eine Chemielehrerin zusammen mit einem Geschichtslehrer mit einem Färbergarten) diese Infrastruktur nutzen, ohne sich langfristig für eine aufwändige Pflege zu verpflichten.
Eine neue Perspektive für den Schulgarten in weiterführenden Schulen bietet die obligate (gebundene) Ganztagsschule, in der längere Unterrichtsphasen möglich sind. Je konsequenter eine Schule projektorientierten Unterricht ermöglicht, desto besser stehen die Chancen für Fachlehrer*innen, für einen Teil ihres Unterrichts den Schulgarten zu nutzen.
Schulgartenunterricht in der Förderschule
Neben der Grundschule ist die Förderschule die Schulform, die am häufigsten einen Schulgarten betreibt. Hier werden besonders die therapeutische Wirkung und das inklusive Potenzial des Gartens geschätzt. Außerdem dient der Garten wie bei der Realschule plus auch der Berufsvorbereitung.
Förderschulen bieten den flexibelsten Organisationsrahmen für Schulgartenarbeit. Die erfahrensten Schulgarten-Lehrer/innen sind Förderschul-Lehrer/innen! Ihnen stehen oft sogar große Flächen zur Verfügung, in denen sie unterschiedlichste Projekte mit den Schüler/innen realisieren können.
Je nach Förderschwerpunkt ist an Förderschulen in der Schulgarten-Planung in besonderem Maße auf Barrierefreiheit und Sicherheit zu achten: Unterfahrbare Hochbeete, robuste Bauten und Materialien, eine stabile Einzäunung, keine giftigen Pflanzen etc.
Tipps für Schulgartenplanung und -nutzung in Förderschulen finden Sie z. B. in der Broschüre "Schulgarten ohne Hindernisse" der Koordinierungsstelle für Umweltbildung in Berlin-Marzahn-Hellersdorf.